Übersicht über die Ereignisse von 1918-1945

20.3.1921
Am 20. März findet die Volksabstimmung in Oberschlesien statt, der blutige Kämpfe zwischen polnischen Truppen und deutschen Selbstschutz- und Freikorpsverbänden vorausgehen. Im Ergebnis entscheiden sich 707 000 (60%) Oberschlesier für Deutschland und 479 000 (40%) für Polen. Für Polen ist das Ergebnis enttäuschend, weil über ein Drittel der polnischsprachigen Oberschlesier für Deutschland votiert hat. Dort feiert man den Erfolg und beansprucht die ungeteilte Provinz, obwohl der Versailler Vertrag (§ 88) eine Teilung nach den Mehrheitsverhältnissen vorsieht.

Die Teilung Oberschlesiens

1921
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Teilung Oberschlesiens 1921
Die Teilung Oberschlesiens mit ihren blutigen Auseinandersetzugen wird im Deutschen Reich als erneute Demütigung durch die "Herren von Versailles" wahrgenommen.
12.10.1921
Am 12. Oktober beschließt der um Vermittlung angerufene Völkerbundsrat die Teilung Oberschlesiens.
1921
Obwohl die Westgrenze Polens mit dem Versailler Vertrag und den Ergebnissen der Volksabstimmungen festgelegt ist und (abgesehen von Oberschlesien) nirgends die historische Grenze zu Ungunsten Deutschlands überschreitet, bleibt ihre Revision die ganze Weimarer Zeit hindurch ein unverändertes Axiom deutscher Außenpolitik.
24.4.1922
Vertrag von Rapallo. Am 24. April schließen Deutschland und Rußland einen Bündnisvertrag, dem bereits geheime Abmachungen zwischen Reichswehr und Roter Armee vorausgegangen sind. Der defensive Zweck der Vereinbarungen ist, ein Gegenwicht zum polnisch-französischen Bündnis von 1921 zu schaffen, das Polen in den Worten Bismarcks als "französisches Militärlager an der Weichsel" erscheinen läßt. In der Reichswehr und im deutschen Außenministerium denkt man dabei jedoch auch an die offensive Möglichkeit einer Beseitigung des polnischen Nationalstaats.
11.9.1922
General von Seeckt, der Chef der Reichswehr, schreibt am 11. September an den deutschen Außenminister Graf Brockdorff-Rantzau: "Polens Existenz ist unerträglich, unvereinbar mit den Lebensbedingungen Deutschlands. Es muß verschwinden und wird verschwinden durch eigene Schwäche und durch Rußland, mit deutscher Hilfe."
3.1922
Polnische Freundschaftsverträge mit Lettland, Estland, Finnland zum Schutz gegen Sowjetrußland.
5.1922
Sejmwahlen mit Erfolg der Nationaldemokraten. Im Juli tritt Josef Pilsudski (1867-1935) zurück. Ihm folgt im Dezember Gabriel Narutowicz (1865-1922) als erster gewählter polnischer Präsident, wird jedoch eine Woche später von polnischen Nationalisten ermordet. Statt seiner wird Stanislaw Wojciechowski (1869-1953) Präsident. Ukrainische Aufstände in Ostgalizien.
1922
Ende des Jahres müssen französische Bemühungen, England zu einer Garantie sowohl der deutsch-französischen wie der deutsch-polnischen Grenze zu bewegen, als gescheitert gelten. Großbritannien ist nicht bereit, eine Garantie für die in Versailles geschaffene Ordnung und vertragliche Verpflichtungen zu übernehmen, durch die England in einen osteuropäischen Krieg verwickelt werden könnte. In Deutschland nährt das die Hoffnung, die Grenze zu Polen zwar nicht mit Militärgewalt, aber vielleicht doch durch spätere internationale Verhandlungen einer Revision unterziehen zu können.
1923
Das Jahr ist für Polen von einer Wirtschafts- und Finanzkrise mit instabiler Währung, von politischer Führungsschwäche, sowie von nationalen und sozialen Spannungen bestimmt.
1924
Von September bis November reist der deutsche Schriftsteller und Nervenarzt Alfred Döblin über Warschau, Wilno, Lublin, Lemberg, Krakau, Zakopane, Lodz und Danzig durch Polen und verfasst darüber den Bericht "Reise in Polen".
6.1925
Im Juni bricht Deutschland die Wirtschaftsverhandlungen mit Polen ab und eröffnet einen Zollkrieg, der sich vor allem in Gestalt überhöhter Einfuhrzölle für polnische Kohlen ausdrückt. Ziel dieser Maßnahmen ist, die stark auf den Export nach Deutschland angewiesene Wirtschaft Polens so zu schwächen, daß Deutschland eine überlegene Position für künftige Verhandlungen über die Grenzfrage erhält.
16.10.1925
Das Ergebnis der Konferenz von Locarno, die am 16. Oktober in Locarno zum Abschluß kommt, sind die nach dem Tagungsort benannten Locarno-Verträge, die am 1. Dezember in London unterzeichnet werden. Im Vertrag mit Frankreich anerkennt Deutschland die durch Versailles geschaffene Grenze und gibt damit im Westen alle Revisionsansprüche auf. Deutschland verweigert jedoch die gleichzeitige Zusage, auch die Grenzen im Osten zu repektieren. Mit Polen (und der Tschechoslowakei) wird nur ein Schiedsabkommen vereinbart, das beide Seiten zur friedlichen Regelung der vorhandenen oder neu entstehenden Streitfragen verpflichtet. Außenminister Gustav Stresemann erklärt in einem Interview, die Verträge sollen insgesamt "die internationale Atmosphäre entspannen, sich dabei im übrigen freie Hand für eine friedliche Änderung der Grenzen im Osten sichern und den Weg der Konsolidierung und Wiederaufrichtung Deutschlands in der Konzentrierung auf das Bestreben der späteren Angliederung deutscher Gebiete im Osten gehen."
1925
Infolge des deutschen Zollkrieges gegen Polen kommt es zu einem Kurssturz des Zloty, zu Streiks und scharfen Auseinandersetzungen zwischen den polnischen Sozialisten und der nationaldemokratischen Rechten. In einer Geheimbesprechung im November hofft der deutsche Außenminister Gustav Stresemann, daß die Vorgänge in Polen "immer mehr zu einem Bürgerkrieg drängen", daß Polen bald auf internationale Hilfe angewiesen sei und sich dabei für Deutschland die Gelegenheit ergibt, Danzig zurückzugewinnen.
18.12.1925
Am 28. Dezember wird in Polen das Agrarreformgesetz erlassen, das eine Parzellierung von Flächen über 150 Hektar ermöglicht und besonders gegen den deutschen Großgrundbesitz in Pommerellen, Posen und Oberschlesien angewandt wird. Ziel ist es, mit dem deutschen Besitz auch die Zahl der deutschen Einwohner zu reduzieren, um so der von der deutschen Minderheit in Polen unterstützten Revisionspolitik Deutschlands entgegenzusteuern. Infolge der bestehenden Realteilung, die sehr viele Kleinbauern mit sehr wenig Besitz zur Folge hat, bleibt die Agrarfrage für Polen selbst jedoch ungelöst.
1926
Im April fragt der Präsident der Bank von England an, ob Deutschland bereit sei, sich an einer internationalen Aktion zur Stützung des Zloty zu beteiligen. Der deutsche Außenminister Gustav Stresemann antwortet ihm, Deutschland werde warten, bis "die wirtschaftliche und finanzielle Notlage Polens den äußersten Grad erreicht und den gesamten polnischen Staatskörper in einen Zustand der Ohnmacht gebracht hat". Erst dann sei das Land "für eine unseren Wünschen entsprechende Regelung der Grenzfrage reif", die sich nach wie vor auf den "Korridor, Danzig, Oberschlesien und gewisse Teile Mittelschlesiens" bezieht.
15.5.1926
Jozef Pilsudski, der sich Ende 1922 aus der Politik zurückgezogen hatte, kehrt im Mai zurück und übernimmt, unterstützt vom Militär, die Macht. Die Regierung von Vinzenz Witos (* 1874, f 1945) - seit 10. Mai im Amt - wird zum Rücktritt gezwungen. Am 15. Mai legt Staatspräsident Stanislaw Wojdechowski sein Amt nieder. Die Wahl zum Präsidenten lehnt Pilsudski ab. Dieses Amt übernimmt im Juni Ignacy Moscicki (1867-1946), der bis zum Zweiten Weltkrieg Präsident der polnischen Republik bleiben wird. Formal Ministerpräsident, setzt Pilsudki eine autoritäre Verfassungsänderung durch, die ihm diktatorische Vollmachten gibt und den Parlamentarismus außer Kraft setzt. In den Folgejahren gelingt es ihm, Polen innenpolitisch und wirtschaftlich zu stabilisieren.
1926
Im September wird Deutschland in den Völkerbund aufgenommen, was eine Bereitschaft zum Gewaltverzicht auch gegenüber Polen signalisiert, in den nächsten Jahren jedoch zur Folge hat, daß die Zahl der Petitionen der deutschen Minderheit in Polen, in denen sie ihre "unhaltbare Lage" beklagt, ständig zunimmt und das Minderheitenkomitee des Völkerbundes beschäftigt hält. Es geht dabei immer wieder um die Auslegung des "Minderheitenschutzvertrages", den Polen (und nicht Deutschland) mit dem Versailler Friedensvertrag hatte unterzeichnen müssen.
1927
Im Juli gibt die Deutschtumsabteilung des Reichsinnenministeriums, die sich besonders der Förderung ostkundlicher Publikationen widmet, der Leipziger "Stiftung für Volks- und Kulturbodenforschung" eine Studie zur "Erforschung der Grenzziehungsschäden" in Auftrag, in der die "drastisch die blutende Ostgrenze" dargestellt werden soll und deren Ergebnis bereits vorher festgelegt ist, indem sie "wissenschaftlich" zu belegen hat, daß die Grenzziehung im Osten "zweckbedingte Schikane" gewesen sei.
1927
Die Ende des Jahres wieder aufgenommenen deutsch-polnischen Wirtschaftsverhandlungen scheitern am Widerstand der deutschnationalen Partei.
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