Übersicht über die Ereignisse von 1763-1918

1855
Zar Nikolaus I. stirbt, der prowestlich-liberale und polenfreundlich eingestellte Alexander II. besteigt den russischen Thron.
1858
Die unter dem Prinzregenten Wilhelm eingeleitete "Neue Ära" bringt für Posen zunächst einige Erleichterungen wie die Lockerung der Pressezensur. Nach den Neuwahlen erhöht sich die polnische Fraktion im preußischen Landtag auf 20 Abgeordnete, die mit größerer Entschiedenheit ihre nationalpolitischen Forderungen vorträgt, sich jedoch nicht durchsetzen kann. Dagegen steht das Argument der Verschiebung der Nationalitätenverhältnisse seit den polnischen Teilungen zugunsten der Deutschen und die inzwischen in Posen investierte "deutsche Leistung".
1862
Otto von Bismarck, der entschieden gegen alle nationalpolnischen Bestrebungen eingestellt ist, wird preußischer Ministerpräsident.
1863
Im Januar kommt es zum Aufstand im russischen Teilgebiet. Gegen die nachgiebigen Tendenzen des russischen Außenministers Fürst Gortschakow, der sogar daran denkt, einen Teil Kongresspolens aufzugeben, setzt Bismarck preußische Diplomatie ein und sendet den preußischen General von Alvensleben in dringender Mission nach Petersburg.

Die Konvention Alvensleben

8.2.1863
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Die Konvention Alvensleben
"Die Alvenslebensche Konvention" wird am 8. Februar unterzeichnet. In dem Geheimabkommen zwischen Preußen und Russland verpflichten sich beide Staaten zur militärischen Unterstützung bei der Bekämpfung nationalpolnischer Erhebungen. Zar Alexander II. entschließt sich zur Niederschlagung des Aufstandes.

Germanisierung Polens

1864
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Germanisierung 1864
Bismarck und Wilhelm II. verfolgen eine harte Germanisierungspolitik gegen das katholische Polen. Je schärfer die Gesetze werden, desto stärker wächst das polnische Nationalgefühl.
1866
Mit den deutschen Bestrebungen zur nationalstaatlichen Einigung unter Bismarck stellt sich die Frage nach dem zukünftigen Status der polnischen Gebiete. Der preußische Landtag beschäftigt sich im August mit der geplanten Bildung des Norddeutschen Bundes, die polnische Fraktion erhofft sich von diesem Schritt mehr nationale Selbstbestimmung der preußisch-polnischen Teilgebiete, wird jedoch enttäuscht. Preußen ist nicht zum Verzicht auf Posen oder auch nur seiner rein polnischen Teile bereit. Die Mehrheit der Norddeutschen Bundesversammlung stimmt ebenfalls dagegen.
18.3.1867
Das Großherzogtum Posen und die übrigen polnisch-preußischen Gebiete werden als Teil Preußens in den Norddeutschen Bund miteingegliedert. Vor allem was Posen betrifft, bedeutet es einen offenen Bruch der 1815 auf dem Wiener Kongreß zugesicherten Sonderstellung, gegen den der Kantak im Namen der polnischen Fraktion auf der Bundesversammlung am 18. März vergeblich protestierte.
1867
Zur selben Zeit erlangt Galizien im Rahmen der Habsburger Monarchie eine de-facto-Autonomie, weshalb sich die nationalpolnischen Kräfte dort sammeln. Bismarck interveniert in Wien dagegen und treibt nach der Reichsgründung die Germanisierung in den preußisch-polnischen Gebieten voran.
1.4.1871
Am 1. April wird im ersten deutschen Reichstag nach der deutschen Kaiserkrönung die Reichsverfassung beraten. Der Abgeordnete Zoltowski fordert die nationale Unabhängigkeit für die polnischen Gebiete, worauf ihm Bismarck antwortet, die Polen im preußischen Osten gehörten wie er selbst zum preußischen Volk. Alle Parteien im Reichstag weisen den polnischen Anspruch zurück. Die preußisch-polnischen Gebiete werden in das Deutsche Reich eingegliedert, die preußischen Polen zu einer nationalen Minderheit im neuen deutschen Nationalstaat.
1871
Die antipolnische Sprachen- und Kulturkampfpolitik Bismarcks gegen die nationalpolnischen Kräfte und den katholischen Klerus Posens, der ihm genauso als "reichsfeindlich" gilt, beginnt mit der Auflösung der katholischen Abteilung im preußischen Kultusministerium.
1872
Erlaß des preußischen Schulaufsichtsgesetze, das der polnischen Kirche den Einfluß auf das Schulwesen entzieht.
27.10.1873
Am 27. Oktober folgt die "Oberpräsidialverfügung über den Sprachunterricht in den Volksschulen in Posen und Westpreußen", die bestimmt, daß in allen Schulfächern (mit Ausnahme von Religion und Kirchengesang) die deutsche Unterrichtssprache gilt. Die sprachliche Eindeutschung der Polen soll sie ihrer eigenen Nationalität entfremden. Der Verlust der Muttersprache macht die Schulen unattraktiv, es bilden sich polnische bürgerliche Bildungsvereine, die den Mangel auszugleichen versuchen.
2.1873
Der Zentralverein polnischer Grundbesitzer, gegründet von Maximilian Jackowski, beschliesst unter seiner Führung im Februar die Gründung polnischer Bauernorganisationen in den preußischen Teilen Polens. Bis 1877 werden 105 polnische Bauernvereine gegründet, wodurch die Landwirtschaft organisatorisch etwas unabhängiger von deutschen Stellen wird.
1873
Der Geistliche Szamarzewski gründet 14 polnische Genossenschaften, deren Vorsitz er führt. Damit wird das Gewerbe in den polnisch-deutschen Gebieten etwas unabhängiger von deutschen Banken.
1874
Der „Kulturkampf" im preußischen Teilgebiet mit seiner starken antipolnischen Tendenz führt zu Widerstand. Polnische Geistliche, die sich den päpstlichen Weisungen entsprechend weigern, der Sprachregelung Folge zu leisten, werden entlassen oder verhaftet. Erzbischof Ledochowski von Gnesen-Posen wird gewaltsam aus seinem Amt entfernt, weil er sich gegen die Kulturkampfpolitik Preußens ausspricht. In Reaktion darauf solidarisiert sich die katholische Zentrumspartei im Reichstag mit der polnischen Fraktion. In den folgenden Jahren wird der Kulturkampf aufgegeben.
28.8.1876
Der Sprachenkampf und mit ihm die Eindeutschung polnisch-deutscher Gebiete wird jedoch weitergeführt. Am 28. August wird das seit 1873 diskutierte "Gesetz betreffend die Geschäftssprache der Behörden, Beamten und politischen Körperschaften des Staates" erlassen. Damit ist die polnische Sprache nur noch im nichtstaatlichen öffentlichen Raum und im privaten Rahmen geduldet.
1877
Das Reichsgerichtsverfassungsgesetz läßt nur noch Deutsch als Gerichtssprache zu. Mit der bisherigen Sprachgesetzgebung ist die polnische Sprache nun in den Schulen, vor Gericht, bei den Ämtern, in den Verwaltungen, Kreistagen und Versammlungen ausgeschaltet. Die Polen brauchen in ihrem eigenen Land Dolmetscher und Übersetzer und werden zu einer fremdsprachigen Minderheit.
1878
Auf dem "Berliner Kongress" lehnen es die europäischen Mächte ab, die polnische Frage zu erörtern.

Polen im Ruhrgebiet

1880
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Infolge der stark einsetzenden Industrialisierung kommt es zu Bevölkerungswanderungen. Polen aus den russischen, österreichischen und deutschen Teilgebieten wandern ebenso wie die Deutschen in die Industriezentren ab. Im Deutschen Reich beginnt man, von der "Gefahr einer Überschwemmung durch das Slawentum" zu sprechen.
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