Übersicht über die Ereignisse von 1763-1918

1.8.1914
Beginn des Ersten Weltkrieges am 1. August. Rußland steht, verbündet mit den Westmächten, im Krieg gegen das Deutsche Reich und Österreich-Ungarn. Die Fronten zwischen den Kriegsparteien verlaufen im Osten fast überall durch von Polen bewohntes Land.
1914
Der Ausbruch des Krieges eröffnet der staatslosen polnischen Nation die Aussicht auf eine Wiedervereinigung der drei Teilgebiete und nationale Unabhängigkeit. Josef Pilsudski (* 1867, t 1935) verfolgt dieses Ziel durch Einsatz polnischer Legionen auf österreichisch-ungarischer Seite gegen Rußland, Roman Dmowski (* 1864, t 1939) dagegen durch Anlehnung an Rußland und die Westmächte. Die drei kriegführenden Teilungsmächte spielen die polnische Frage jeweils gegeneinander aus.
1914
Der von Ostpreußen mit den deutschen Truppen vorrückende General von Morgen ruft in den ersten Augusttagen die Bevölkerung Kongreßpolens zur Erhebung gegen die "russischen Barbaren" auf und verspricht "politische und religiöse Freiheit".
14.8.1914
Bei der Einnahme der kongreßpolnischen Grenzstadt Kalisch am 14. August beantwortet der deutsche Befehlshaber eine vermeintliche oder wirkliche Provokation polnischer "Heckenschützen" durch anhaltendes Artilleriefeuer auf Wohnbezirke. Ganze Teile der Stadt werden eingeäschert.
14.8.1914
Am selben Tag erlässt Großfürst Nikolaus als Oberbefehlshaber der russischen Truppen eine Proklamation, die zwar nicht die Unabhängigkeit, aber die Wiederherstellung Polens "frei in seiner Religion, seiner Sprache, seiner Selbstverwaltung" verspricht, wenn sich die Polen auf Seite Rußlands stellen. Wegen der Zerstörung der Stadt Kalisch, die zum Symbol preußisch-deutscher Gewaltherrschaft wird, findet das russische Manifest große Zustimmung. Unter Führung von Roman Dmowski schickt das Polnische Nationalkomitee (Komitet Narodowy Polski) eine Dankadresse an den Zaren und erläßt seinerseits eine Proklamation, welche auf die historische Chance des zaristischen Angebots verweist.

Schlacht bei Tannenberg

26.8.1914
->
Tannenberg 1914
In der Schlacht bei Tannenberg wird die russische Armee von den deutschen Truppen unter Führung Paul von Hindenburgs und Erich Ludendorffs vernichtend geschlagen. Damit wird fraglich, ob Rußland zum Garanten polnischer Nationalstaatlichkeit taugt.
1914
Die habsburgische Politik strebt die Angliederung Polens an ihren Vielvölkerstaat an ("austropolnische Lösung"). Vereinigt werden sollen im Falle einer russischen Niederlage Galizien und Kongreßpolen, nicht aber Preußisch-Polen, weil Wien nicht über die Gebiete seines Bündnispartners verfügen kann.
1914
Josef Pilsudski als Kommandant der polnischen Legionen in Galizien bindet sich an keine der drei Kriegsparteien und dient ihnen nur soweit, wie es polnischen Interessen entgegenkommt. Von Wien macht er sich unabhängiger, indem er im besetzten Kongreßpolen eine Art polnischer Miliz im Untergrund aufstellt, die "Polska Organizacja Wojskowa".
1915
Die Führungsrolle im weiteren Kriegsverlauf geht an Berlin über. Im Sommer ist das gesamte Kongresspolen besetzt und wird in zwei Zonen, das österreichische Gouvernement Lublin und das deutsche Generalgouvernement Warschau, geteilt.
1915
Der Regierungspräsident von Frankfurt/Oder, Friedrich von Schwerin fordert in zwei Memoranden an die Reichskanzlei, daß Deutschland "seine kolonisatorische Mission nach dem Osten in entschiedener Weise wieder aufnimmt" und die Gunst der Stunde zur "Umsiedlung großer Volksmengen" nutzt. Auch der Alldeutsche Verband, der Wehrverein und der Ostmarkenverein setzen sich dafür ein, in der Unübersichtlichkeit der Kriegsverhältnisse Fakten zu schaffen. Eine Denkschrift an den deutschen Reichskanzler, unterschrieben von 1347 Personen des öffentlichen Lebens, fordert die Annexion polnischer Gebiete, die Aussiedlung der dort lebenden Polen und die Neubesiedlung mit Deutschen.
1916
Nach der Besetzung Kongreßpolens, der westlichen Ukraine und des Baltikums plant die deutsche Reichsleitung eine Zone halbselbständiger Pufferstaaten unter deutscher Hegemonie. Die Absicht eines polnischen germanisierten Grenzstreifens wird dabei nicht aufgegeben.
5.11.1916
Am 5. November kommt es auf Initiative des Militärs zur Proklamation eines polnischen Staats durch Deutschland und Österreich-Ungarn. Versprochen wird ein "selbständiger Staat mit erblicher Monarchie und konstitutioneller Verfassung". Der Grenzverlauf soll später geregelt werden. Die Bestimmung, daß die "Organsiation, Ausbildung und Führung" des aufzustellenden polnischen Heeres "im gemeinsamen Einverständnis" geregelt werden soll, macht deutlich, daß es den Mittelmächten vor allem darum geht, polnische Soldaten für den "großen Krieg der Gegenwart" zu gewinnen.
12.11.1916
Die Werbung von polnischen Freiwilligen für die deutsche Armee ist ein voller Mißerfolg. Auf einer Massenversammlung am 12. November in Warschau lässt man Josef Pilsudski hochleben. Die Versammelten rufen: "Ohne polnische Regierung keine Armee" und "Wir wollen keine deutschen Söldner sein".
22.1.1917
Der amerikanische Präsident Wilson spricht in seiner Senatsrede am 22. Januar über den künftigen "Frieden ohne Sieg" und fordert ein "geeintes, unabhängiges und selbständiges Polen". Die polnische Frage wird zu einer Angelegenheit der internationalen Staatengemeinschaft.
1917
Im Januar sehen sich die Mittelmächte genötigt, wenigstens teilweise die polnischen Forderungen zu erfüllen. Es wird ein provisorischer Staatsrat mit beratender Funktion für beide Teile Kongreßpolens zugestanden. Der Institution gehört auch Josef Pilsudski an, der für die polnische Waffenhilfe im Gegenzug die volle Partnerschaft und Einräumung nicht nur beratender, sondern leitender polnischer Beteiligung fordert.
6.4.1917
Am 6. April tritt die USA in den Krieg ein.
22.7.1917
Da Wien, aber nicht Berlin zur Einrichtung eines echten polnischen Staatswesens bereit ist, legt Josef Pilsudski Anfang Juli sein Mandat nieder und fordert den Warschauer Staatsrat zur Demission auf. Zweidrittel der polnischen Legionen verweigern dem deutschen Befehlsführer General von Beseler den Eid. Dieser läßt am 22. Juli Josef Pilsudski in der Festung Magdeburg inhaftieren.
15.8.1917
Am 15. August wird das "Polnische Nationalkomitee" in Paris mit Roman Dmowski und Ignaz Paderewski als führenden Mitgliedern gegründet und bis Ende des Jahres von Frankreich, Grossbritannien, Italien und den USA als Vertretung der polnischen Nation anerkannt.
1917
Die bolschewistische Revolution im Oktober erleichtert ein Umdenken auch bei der britisch-französischen Allianz, die noch immer die polnische Frage als eine russische Angelegenheit betrachtet und auf die Proklamation des Zaren von 1914 verwiesen hatte.
1917
Seit Dezember verhandeln die deutschen und österreichischen Delegationen in Brest-Litowsk mit der bolschewistischen Regierung über einen Friedensschluß, ohne den Warschauer Regentschaftsrat zu beteiligen.
zurück
weiter