Die Irak-Politik wird zum europäischen Zankapfel.
Die tiefen Differenzen zwischen Polen und der Bundesrepublik wegen des sich anbahnenden Krieges im Irak wurden vollends Ende Januar 2003 sichtbar. Während Berlin Seite an Seite mit Paris und Moskau seine Ablehnung des Krieges deutlich machte und dafür von US-Verteidigungsminister Rumsfeld ins „alte Europa“ verbannt wurde, erschien am 30.1.2003 die „Erklärung der acht“, in der sich die EU-Beitrittskandidaten Polen, Ungarn und Tschechien zusammen mit fünf westeuropäischen Staaten ihre Solidarität mit der Irak-Politik der US-Regierung zum Ausdruck brachten. Kaum weniger bemerkenswert als die offenkundige Spaltung Europas erschien den Regierungen in Paris und Berlin die Tatsache, daß sie nicht über die Initiative informiert
worden waren. Die Bundesregierung brachte gegenüber Warschau ihre Enttäuschung zum Ausdruck, zumal der polnische Ministerpräsident in den Wochen zuvor sich häufig beim Bundeskanzler gemeldet hatte, um bei ihm für die polnischen Interessen zu werben, als die EU-Beitrittsverhandlungen kurz vor dem Abschluß standen. Frankreichs Präsident Jacques Chirac sprach gar davon,
daß die Beitrittskandidaten „eine gute Gelegenheit zu schweigen verpaßt“ und sich „wie ungezogene Kinder benommen“ hätten, ohne überhaupt schon zur Familie zu gehören.
In Warschau, wo unter den Parteien Einvernehmen über den Kurs in der Irak-Krise herrschte, wurde gegen die Vorwürfe aus Berlin und Paris gekontert, daß man schließlich auch nicht wegen deutsch-französischer
Aktionen gefragt werde. Ein häufig genannter, durch jahrhundertelange Erfahrungen mit deutschen und russischen Imperien genährter Grund für die Haltung der mittelosteuropäischen Staaten war die bleibende Sorge um ihre Sicherheit, die sie ausschließlich durch Amerika garantiert sehen. Diese Sorge wurde noch in den 90er Jahren durch die guten Beziehungen zwischen Berlin/Paris und Moskau andererseits genährt. Die alte Hegemonialmacht Rußland hingegen sprach bis Ende der 90er Jahre von Polen als „nahes Ausland“, um so seine Interessensphäre zu markieren. Adam Michnik, Chefredakteur der Gazeta Wyborcza, brachte es auf den Punkt: „Amerika brauchen wir für unsere Sicherheit und Europa für unsere Zukunft.“
Die polnischen Kommentare verteidigten den Krieg als Kampf gegen einen blutrünstigen Despoten, die polnische Beteiligung als Folgerung aus der transatlantischen Solidarität und aus Bündnispflichten. Der Vorwurf, den Westen gespalten zu haben, ging postwendend an Paris und Berlin zurück.
Präsident Kwasniewski und die Regierung hofften zudem, durch ihre proamerikanische
Politik größeren Spielraum und eine transatlantische Vermittlerrolle zu gewinnen. Die engen Beziehungen mit den USA waren durch den Kauf von amerikanischen Kampfflugzeugen im Wert von 3,5 Milliarden Dollar untermauert worden, auf den im Gegenzug amerikanische Investitionen in
zweistelliger Milliardenhöhe folgen sollen. Es gab auch Anzeichen für eine Verlagerung von Standorten der US-Armee von Deutschland nach Polen.
Anders als die politische Klasse war die Bevölkerung mehrheitlich gegen den Krieg. Laut Umfragen hielten 53% der Polen die deutsche Haltung in der Irak-Frage für richtig, und nur 24 % unterstützten Präsident Bush. Obwohl zwei Drittel eine Beteiligung Polens ablehnten, bildete sich keine große Protestbewegung. Daran änderte auch die unmißverständliche Ablehnung des Krieges durch Papst Johannes Paul und zahlreiche Bischöfe nichts.
Deutsche Kommentare bezeichneten Polen derweil als „Trojanisches Pferd [Amerikas] vor den Toren Europas“ und diagnostizierten eine „wilhelminische Phase“ in der Geschichte des lange entmündigten Landes. Ihnen widersprachen auch die kritischen Stimmen in Polenund bemängelten allenfalls die Einseitigkeit des Stimmungsbildes in ihrem Land.