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Deutsche & Polen

Joe J. Heydecker über das Elend im Warschauer Ghetto

Joe Heydecker
Biografie

Dennoch, die Fotografie beweist es: selbst Luftballons gab es anfangs noch im Getto von Warschau. [...] Aber rückschauend, wissend um die erbärmliche Ausrottung auch der Kinder des Gettos – diese Luftballons? Sie schweben, ein Symbol aller Ausnahmen, über einem Meer von Elend und Verzweiflung. Die meisten Menschen, die ich in den überfüllten, brodelnden Straßen und Gassen des Gettos sah, waren abgerissen gekleidet, und vieltausendmal mehr, als ich fotografierte, waren in Lumpen gehüllt, kauerten, lagen oder schliefen an den Straßenrändern, wimmerten, flehten um eine Gabe, sie warteten vergebens, die Füße in alte Säcke gewickelt, mit Hungeraugen, hohlen Wangen, ohne Zuflucht vor der Kälte. Zu einem der herzzerreißenden Kinder hockte ich mich nieder. Es erzählte mir, daß es den ganzen Tag Lieder gesungen habe. Ich zählte die Münzen in seiner Bettelhaube: 26 Groszy, nach damaligem Wertverhältnis 13 Pfennig. Und fünf Jahre später berichtete ich in meinem Rundfunkvortrag: „Dabei waren die Preise für alle Dinge des Lebens schwindelhaft hoch. Nach deutschem Geld zahlte man für einen Laib Brot 200 Mark, für ein paar gut erhaltene Schuhe 2000 Mark, für ein Pfund Ochsenfleisch 600 Mark. Zahlreiche Juden begingen in letzter Verzweiflung Selbstmord. Eine Dosis Zyankali wurde mit 4000 Mark gehandelt.“

Quelle:
Heydecker, Joe J.
"Das Warschauer Ghetto"
Foto-Dokumente eines deutschen Soldaten
dtv, München, 1983
S. 31

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