Die Verteidiger der polnischen Post wurden Opfer eines Justizmordes.
Die Siegermächte des I. Weltkriegs verwandelten die zum größten Teil von Deutschen bewohnte alte Hafenstadt Danzig in den „Freistaat Danzig“, der dem jungen polnischen Staat als Zugang zum Meer dienen sollte. Zu den polnischen Hoheitsrechten im Freistaat gehörte die Abwicklung des Postverkehrs zwischen Danzig und Polen. Herzstück des polnischen Postwesens war das „Polnische Postamt – Danzig Nr. 1“ am Heveliusplatz, in dem etwa 50 Beamte angestellt waren. Seit der ihrem Wahlsieg im Mai 1933 war den Danziger Nationalsozialisten die polnische Post ein Dorn im Auge. Gegen Ende des Jahres
1938 forderte Hitler den „Anschluß“ Danzigs und des „Korridors“ an das Deutsche Reich, und mit dem zunehmenden Druck auf Polen verschärften sich die Übergriffe der Nazis auf die Angehörigen der polnischen und jüdischen Minderheiten, einschließlich der polnischen Postbeamten.
Zugleich rückte Danzig ins Blickfeld jener Militärs, die in Hitlers Auftrag den Feldzug gegen
Polen planten. Im Sommer 1939 bauten sie heimlich die aus Wehrmacht, SS, SA und Polizei bestehende „Gruppe Eberhardt“ in Danzig auf. In der Stadt selbst planten die Sicherheitsbehörden die Einnahme der polnischen Einrichtungen, allen voran der Post am Heveliusplatz. In den frühen Morgenstunden des 1. September 1939 ist es dann soweit:
Zeitgleich mit der Beschießung des polnischen Militärstützpunktes auf der Westerplatte beginnen Danziger Polizisten den Angriff auf das Postamt. Sie stoßen auf den Widerstand der Postbeamten, die in den vorhergehenden Wochen ausWarschau Waffen und einen Armeeoffizier geschickt bekommen haben. Sie sollen das Gebäude halten, bis ihnen die polnische Armee zu Hilfe eilen kann. Ursprünglich ging das polnische Oberkommando davon aus, daß die deutsche Aggression sich auf Danzig und den „Korridor“ beschränken würde, so daß ein Gegenangriff erfolgversprechend erschien. Als sich abzeichnete, daß die Deutschen Polen als ganzes angreifen würden, mußte dieser Plan geändert werden, doch wurden die Verteidiger der Post nie darüber informiert, so daß sie von Beginn an auf verlorenem Posten kämpfen.
Nachdem die Polen den ersten Angriff abgewehrt haben, verstärken als Hilfspolizisten geführte SS-Truppen mit Geschützen und Panzerwagen die Polizeieinheiten. Nachdem die Postler trotz heftigen Beschusses sich nicht ergeben hatten, gossen die Angreifer Benzin in den Keller, wohin sich die Verteidiger zurückgezogen hatten. Das verheerende Feuer
tötete neben mehreren Beamten auch eine im Gebäude verbliebene Frau und ein Kind und zwang die Polen schließlich zur Aufgabe. Die meisten kamen in Gestapo-Haft, nur vier konnten fliehen und erlebten das Kriegsende.
38 Überlebende wurden wenige Wochen später von einem Kriegsgericht wegen Freischärlerei zum Tode verurteilt und erschossen, ihre Leichen an versteckter Stelle verscharrt. Wegen der eklatanten juristischen Mängel läßt sich der Vorgang nur als Justizmord bezeichnen, doch wurden die beteiligten Juristen nie zur Rechenschaft gezogen.
1991 wurde das auf dem ehemaligen Friedhof Saspe gelegene Massengrab der Postbeamten entdeckt. Ihr Schicksal war in Polen lebendig geblieben, auch in Deutschland dank Günter Grass’ „Blechtrommel“.In der Nähe der Hinrichtungsstätte ist heute eine Gedenkstätte für die Opfer des KZ’s Stutthof.