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Deutsche & Polen

Günter Grass beschreibt den Kampf um die polnische Post in Danzig

Günter Grass
Biografie

Nicht etwa, daß Oskar weinte! Wut vermehrte sich in mir. Fette, weißbläuliche, augenlose Maden vervielfältigten sich, suchten nach einem lohnenden Kadaver: Was ging mich Polen an! Was war das, Polen? Die hatten doch ihre Kavallerie! Sollten sie reiten! Die küßten den Damen die Hände und merkten immer zu spät, daß sie nicht einer Dame die müden Finger, sondern einer Feldhaubitze ungeschminkte Mündung geküßt hatten. Und da entlud sie sich schon, die Jungfrau aus dem Geschlecht der Krupp. Da schnalzte sie mit den Lippen, imitierte schlecht und doch echt Schlachtgeräusche, wie sie in den Wochenschauen zu hören sind, pfefferte ungenießbare Knallbonbons gegen das Hauptportal der Post, wollte die Bresche schlagen und schlug die Bresche und wollte durch die aufgerissene Schalterhalle hindurch das Treppenhaus anknabbern, damit keiner mehr rauf, keiner runter konnte. Und ihr Gefolge hinter den Maschinengewehren, auch die in den eleganten Panzerspähwagen, die so hübsche Namen wie „Ostmark“ und „Sudentenland“ draufgepinselt trugen, die konnten nicht genug bekommen, fuhren ratternd, gepanzert und spähend vor der Post auf und ab: zwei junge, bildungsbeflissene Damen, die ein Schloß besichtigen wollten, aber das Schloß hatte noch geschlossen. Das steigerte die Ungeduld der verwöhnten, immer Einlaß begehrenden Schönen und zwang sie, Blicke, bleigraue, durchdringliche Blicke vom selben Kaliber in alle einsehbaren Gemächer des Schlosses zu werfen, damit es den Kastellanen heiß, kalt und eng werde.

Quelle:
Grass, Günter
"Die Blechtrommel"
Roman
Steidl, Neuwied, 1959

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