Landsmannschaften - Entstehung und Charakter

Die Landsmannschaften waren und sind die dominierenden Vertriebenenorganisationen.

Erinnerung und Rückkehrwille

Daß es Jahre dauerte, bis sich die Vertriebenen im großen Stil zu organisieren begann, lag zum einen an den extremen Bedingungen der Nachkriegszeit, zum andern an dem für die Vertriebenen geltenden Koalitionsverbot. Die Alliierten fürchteten das Unruhepotential der mittellosen Massen und hofften mit Recht, daß sich die Vertriebenen wegen des Verbots eher in die Parteienlandschaft integrieren würden und so die Entstehung einer mächtigen revisionistischen Partei verhindert werden könne. Das Verbot bezog sich hingegen nicht auf (lokale) Organisationen, die in erster Linie humanitären Zwecken dienten. Zuerst entstanden aus der Notwendigkeit der Familienzusammenführung die Heimatortkarteien und Suchdienste, die es

Landsmannschaften
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Schlesiertreffen in München 1971

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ermöglichten, daß die Bewohner eines Heimatkreises voneinander erfuhren und informelle Heimatkreisverbände bilden konnten. ‚Hilfskomitees‘, die z. T. auf die landeskirchliche Gliederung der evangelischen Kirchen im Osten zurückgriffen, besorgten die soziale und kulturelle Betreuung der Vertriebenen. Es gab auch berufsständische Gruppen,

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Vertriebene auf dem Weg nach Westen
Recht auf Heimat
Philipp von Bismarck
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Phillip von Bismarck

welche die speziellen wirtschaftlichen Interessen ihrer Mitglieder verfolgten.
Seit 1948 konstituierten prominente Vertriebene die verschiedenen Landsmannschaften,Zitatdie von den kleineren, bereits bestehenden Organisationen anerkannt wurden. Allerdings blieben Vertriebene und auch einige ihrer lokalen

Zusammenschlüsse den Landsmannschaften fern, was jene nicht daran hinderte, sich als Repräsentanten einer Region und ihrer Bewohner zu verstehen. Das landsmannschaftliche Prinzip der Heimatkreise bestand zunächst neben der ausschließlich nach den aktuellen Wohnorten gegliederten Einheitsorganisation des ‚Zentralverbands vertriebener Deutscher‘ (ZvD, später Bund der vertriebenen Deutschen). Erst 1957 schlossen sich der ZvD und die landsmannschaftliche Dachorganisation, der ‚Verband deutscher Landsmannschaften‘, im ‚Bund der Vertriebenen‘ zusammen.
Mit der Durchsetzung der Landsmannschaften schlugen die Vertriebenen zwei Strategien zur Bewältigung ihrer Lage aus: die individuelle Integration und die Verfolgung gemeinsamer sozialer und wirtschaftlicher Interessen in einem Einheitsverband. In den Landsmannschaften ging es vielmehr um Selbstbestätigung und das Wachhalten des Rückkehrwillens in der Form von Treffen auf Orts- und Kreisebene, von Großveranstaltungen und mit Hilfe zahlreicher Presseorgane. Obwohl sie zugleich Interessenvertretung gegenüber

der Politik sowie Selbsthilfe leisteten, mußte die Besinnung auf ihre Herkunft die Vertriebenen prinzipiell auf das Ziel der Rückkehr festlegen. Diese Haltung war nicht zuletzt eine indirekte Reaktion auf die Entscheidung der Alliierten, die Vertriebenen in strukturschwachen Gebieten unterzubringen, sowie auf die feindselige Haltung der „Westler“ zurückzuführen. Ihre auf diese Weise weiter verschärfte Notlage ließ die Vertriebenen ihr Heil um so mehr in der verlorenen Heimat suchen. Zudem gewährte die „Erlebnisgemeinschaft“ das Gefühl von Zusammengehörigkeit, das von der landsmannschaftlichen Eigenart in Religion, konservativer Grundhaltung und Mundart gefördert wurde.ZitatDer „landsmannschaftliche Gedanke“ sollte sich nach einer Formulierung aus den Grundsätzen Christentum, Eigeninitiative, Familie, Nachbarschaft und Heimatgefühl bestehen.Zitat

Außer für ein starkes Heimatgefühls unter ihren Mitgliedern warben die Landsmannschaften auch für ein „gesamtdeutsches Bewußtsein“ unter allen Bundesbürgern, oft genug auch unter Beschwörung alter Ängste und Überlegenheitsattitüden.ZitatMit ihrem Wählerpotential verhinderten sie lange Zeit eine Annäherung an Polen und den Ostblock. Nach dem Abschluß der Ostverträge gerieten die Landsmannschaften zunehmend in den Geruch des Radikalismus,Zitatauch weil sie sich schließlich durch das lautstarke Beharren auf ihrem Rückkehrwillen von der Polenpolitik der großen Parteien isolierten. Seit der Anerkennung der Oder-Neiße-Grenze 1990 fordern sie heute Niederlassungs- und Volksgruppenrechte in Polen und versuchen nach wie vor, die Erinnerung wachzuhalten.

Januar 1945    Mai 1945    17.7.1945    Herbst 1945    1952    1955    1958    18.11.1965    28.9.1969    1969    7.12.1970    1972    16.10.1978    1980    1981    12.11.1989    5.7.2002    13.12.2002    30.1.2003    31.5.2003    6.6.2003    8.6.2003    14.7.2003    13.12.2003    1.5.2004    13.6.2004    18.6.2004    1.8.2004    10.10.2004