Drang nach Osten

Die Floskel vom "Drang nach Osten" bietet eine irrationale, auf den romantischen Volksbegriff zurückgehende, Scheinerklärung für einige Phänomene in der Geschichte des Verhältnisses der Deutschen zu ihren östlichen Nachbarn.

Scheinerklärung

Die Begrifflichkeit „Drang nach Osten“ stammt aus der Romantik. Das Volk galt damals als Träger der Geschichte. Johann G. Herder (1744 – 1803) z.B. hatte die Vorstellung vom Gegensatz zwischen friedliebenden, ackerbautreibenden Slawen und kriegerischen, eroberungsbegierigen Germanen. Für einen angeblich immer gleich aggressiven deutschen Nationalcharakter wurden die mittelalterliche Ostkolonisation, die aggressive Ostpolitik Preußens und des Deutschen Reiches, deutsch-polnische Grenzkonflikte in der Weimarer Republik und die Vernichtungspolitik Hitlers in

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Privilegierung des Deutschen Ordens

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einen Zusammenhang gestellt, der – als deutscher Volkscharakter – nicht existiert. Die mittelalterliche Ausbreitung des deutschen Siedlungsgebietes wurde erst im 19. Jahrhundert durch die Geschichtsschreibung entdeckt. VideoIn der Phase der polnischen Teilungen und der Grenzkonflikte zwischen Polen und Deutschland, wurde sie bei deutschen

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Ein im Mittelalter gegründetes Dorf bei Breslau
Deutsche Kolonisation

Historikern verherrlicht und bei polnischen Historikern verdammt. Im 19. und 20. Jahrhundert war die preußische und deutsche Politik tatsächlich aggressiv auf eine Zurückdrängung einer angeblichen „Slawisierung“ gerichtet, sie hatte jedoch mit der mittelalterlichen Ostkolonisation nichts mehr zu tun. Auch die Zerstörung Polens im zweiten Weltkrieg, die Verbrechen der Deutschen in Polen und an seinen Bewohnern lieferten nach dem II. Weltkrieg erneut Anlässe für die Behauptung eines angeblich immer aggressiven deutschen Volkscharakters. VideoEs gibt jedoch viele Belege, die zeigen, daß Deutsche ihr Handeln selbst in der Kontinuität zur mittelalterlichen Ostkolonisation ansahen. Insbesondere die Nationalsozialisten deuteten ihr eigenes Handeln so. So nannten sie zum Beispiel den Terroreinsatz der Einsatzgruppen bei Kriegsbeginn 1939 in Polen „Unternehmen Tannenberg“. (Am 14. Juli 1410 war der Deutsche Orden in der Schlacht von Tannenberg (Grunwald) vernichtend geschlagen worden.)

Als Heinrich Himmler 1944 vom Aufstand in Warschau/Warszawa hörte, ging er zu Hitler und erklärte ihm, der Aufstand sei zwar unsymphatisch, aber seine Niederschlagung werde zur Auslöschung des Volkes führen, „das uns seit 700 Jahren den Osten blockiert und uns seit der ersten Schlacht bei Tannenberg immer wieder im Wege liegt.“ Zitat

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Plakat des Deutschen Ostmarkenvereins
Die Hakatisten 1894
Heinrich Himmler
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Heinrich Himmler

Im und nach dem II. Weltkrieg bedienten sich vor allem Kommunisten der Idee eines deutschen Dranges nach Osten. Die Idee eines „Volkscharakters“ widersprach zwar dem Denkgebäude von Marxisten. Mit der Konjunktur des „Sowjetpatriotismus“ im Abwehrkampf gegen die nationalsozialistische Barbarei wurden jedoch frühere Vorbehalte zurückgedrängt. Zitat

Erst lange nach 1945 setzte sich die Auffassung durch, daß es sich bei der mittelalterlichen Ostkolonisation um eine Form des Landesausbaus handelte, der überall in Europa stattfand. VideoAnderswo in Europa trieben ihn andere Gruppen voran. Mit dieser Erkenntnis hatte die Ostkolonisation ihren spezifisch deutschen Charakter verloren.

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Konrad Adenauer und Polen
Adenauer und Polen
Januar 1945    Mai 1945    17.7.1945    Herbst 1945    1952    1955    1958    18.11.1965    28.9.1969    1969    7.12.1970    1972    16.10.1978    1980    1981    12.11.1989    5.7.2002    13.12.2002    30.1.2003    31.5.2003    6.6.2003    8.6.2003    14.7.2003    13.12.2003    1.5.2004    13.6.2004    18.6.2004    1.8.2004    10.10.2004