Während des Zweiten Weltkriegs stand der Chef der Londoner Exilregierung für die Kontinuität des polnischen Staates.
Nach dem Zusammenbruch Polens 1939 wurde Wladylaw Sikorski von Präsident Wladyslaw Raczkiewic zum Premierminister und zum Oberkommandierenden der polnischen Streitkräfte ernannt. Der politische General hatte sich für diese Ämter doppelt empfohlen: für die Polen war er annehmbar, weil er als Vertreter der demokratischen Mitte dem Sanacja-Regime ferngestanden hatte, das nach der schnellen Niederlage diskreditiert war. Für die Alliierten Polens wiederum, und besonders die Franzosen, war der ehemalige Kriegsminister ein
alter Bekannter, so daß Frankreich seine Ernennung durchsetzen half. Sikorski war seit je Richtung Frankreich orientiert, von dem nach seiner Auffassung die Sicherheit Polens vor dem deutschen Hauptfeind abhing.
Während Sikorskis Position unter den Exilpolen nicht unangefochten blieb, war er in Polen selbst sehr populär.
Im Widerstand, der ihm theoretisch unterstellt war, galt er als Symbolfigur für die Selbstbehauptung Polens. Seine Vertreterrolle nach außen war unangefochten. Andererseits war sich der Untergrund weitgehend einig, daß über militärischen Aktionen in Polen sowie über die innenpolitische Zukunft des Landes
nicht in London entschieden werden sollte, wohin die Exilregierung nach der Niederlage Frankreichs übergesiedelt war.
Sikorski unterstanden neben dem militärischen Untergrund auch die polnischen Truppen außerhalb Polens. Er bemühte sich um deren Ausrüstung und stärkte ihre Moral durch seine persönliche Präsenz. Zum Kampf gegen die Deutschen gehörte auch, daß die Exilregierung die deutschen Greuel – einschließlich der gegen die Juden –publik machte. Sikorski forderte von den Westalliierten Vergeltung aus der Luft, ohne jedoch Zustimmung zu finden.
Von Beginn an verkündete Sikorski, daß Polen es mit zwei Gegnern, nämlich Deutschland und der Sowjetunion zu tun habe, die das Land 1939 gemeinsam überfallen und unter sich aufgeteilt hatten. Während das Verhältnis der Exilregierung zu Deutschland eindeutig, weil unversöhnlich blieb, waren die Beziehungen zur Sowjetunion im Fluß. Die Alliierten teilten zunächst die „Zwei Feinde“-Doktrin, bis im Juni 1941 die Deutschen die
Sowjetunion überfielen. Die gemeinsamen Interessen Großbritanniens und der Sowjetunion drängten auf eine Umorientierung der britischen Außenpolitik. Der Realist Sikorski signalisierte den Sowjets Verständigungsbereitschaft, auch weil er schon lange mit einer deutsch-sowjetischen Konfrontation gerechnet hatte. Ende Juli unterschrieb er den polnisch-sowjetischen Vertrag. Da dieser keine Aussage über die polnische Ostgrenze enthielt, die 1920/21 der jungen Sowjetunion abgerungen worden war, wurde Sikorski vielfach kritisiert.
Er akzeptierte den Vertrag, da dieser die Freilassung der Gefangenen in der Sowjetunion festlegte, aus denen eine polnische Einheit, die sog. Anders-Armee, aufgestellt wurde.
Der Bündnisschluß brachte jedoch keine Ruhe in die Beziehungen zur Sowjetunion. Stalin erfüllte die Vereinbarungen nur halbherzig und rückte nicht von seinen Gebietsansprüchen ab.
Die Westalliierten gaben diesen Ansprüchen immer mehr nach,denn Polens Gewicht war gegen das Rußlands verschwindend. Als im Frühjahr 1943 die Massengräber polnischer Offiziere in Katyn entdeckt wurden, die auf das Konto der Sowjets gingen, forderte Sikorski eine Untersuchung durch das Internationale Rote Kreuz. Er begründete diesen Schritt gegenüber Winston Churchill damit, daß er den Zorn der Polen auf die Russen nicht länger zurückhalten könne.Für Stalin war die Untersuchung der willkommene Anlaß, die Beziehungen zur Exilregierung abzubrechen. Ein erstes Hindernis zur kommunistischen Machtübernahme war beseitigt. Wenige Monate später kam Sikorski bei einem Flugzeugabsturz ums Leben. Die genauen Umstände konnte auch eine gerichtliche Untersuchung nicht klären. Bis heute halten sich Vermutungen, daß der Absturz durch (sowjetische) Sabotage verursacht wurde.