Das Gut Kreisau war erst ein Ort des deutschen Widerstands gegen die Nazis, ehe es zu einer Stätte der Versöhnung zwischen Polen und Deutschen wurde.
Das kleine Dorf Kreisau, das heutige Krzyzowa in Niederschlesien ist durch die Widerstandsgruppe um Helmuth James von Moltke auf dem örtlichen Gut Kreisau in die Landkarte der deutschen Geschichte eingetragen worden.
Helmut James von Moltke übernimmt das elterliche Gut in einer schwierigen Phase, einer Dauerkrise der ostelbischen Landwirtschaft. Es gelingt ihm, das Gut zu sanieren und die Familie zum Umzug aus dem Schloß in das kleinere Berghaus zu bewegen. 1931 zieht hier seine frisch vermählte Frau, Freya von Moltke ein, die bemerkte:
"So etwas wie diesen riesigen rechteckigen Gutshof, eingerahmt von großzügigen schönen Gebäuden, Stallungen und Scheunen mit roten
Ziegeldächern, hatte ich im Westen Deutschlands noch nie gesehen".
In den Jahren von 1942 bis 1943 trifft sich in diesem Haus eine Gruppe von Gegnern des Naziregimes, die sich um Helmuth James vom Moltke und Peter Graf York von Wartenburg zu einem festen Zirkel zusammenschließen. Trotz unterschiedlicher sozialer, religiöser und
politischer Auffassungen gelingt es ihnen, einen gemeinsamen Plan für einen demokratischen Neubeginn in Deutschland nach dem Ende des Naziregimes zu entwerfen.
Nach dem fehlgeschlagenen Attentat auf Hitler am 20. Juli 1944 geraten die Mitgliedes des „Kreisauer Kreises“ in den Blickpunkt der Gestapo. Ihre Strukturen werden zerschlagen und zahlreiche
Mitglieder der Widerstandsgruppe hingerichtet, darunter auch der Gutsbesitzer von Kreisau am 23. Januar 1945 in Berlin Plötzensee.
Seine Witwe, Freya von Moltke, bleibt alleine mit zwei Kindern auf dem Gut zurück und wartet auf das Ende des Krieges. Im Chaos der Flucht und Vertreibung wird sie von englischen Freunden gerettet und verläßt im Oktober 1945 Kreisau, das sie erst dreißig Jahre später wieder betreten soll.
Nach dem Krieg wird das Gut in einen polnischen Staatsbetrieb umgewandelt und gerät im Gedächtnis der deutschen und polnischen Bevölkerung weitgehend in Vergessenheit. Erst mit den politischen Veränderungen der achtziger Jahre beginnt das Interesse an Kreisau und dem Vermächtnis der hier versammelten Menschen zu wachsen. Auf einer Tagung des „Klub der Katholischen Intelligenz“ in Breslau wird die Idee geboren, auf dem Gut in Kreisau eine internationale Begegnungsstätte einzurichten.
Durch die Wende von 1989 erhält diese Idee neuen Schwung. Während am 9. November 1989 in Berlin die Mauer geöffnet wird, befindet sich der deutsche Bundeskanzler Helmut Kohl auf einem Besuch inPolen. Gemeinsam mit dem polnischen Regierungschef Tadeusz Mazowiecki entschließt er sich spontan zu einer Versöhnungsmesse in Kreisau, mit der das Gut für einen Moment ins Licht der Weltöffentlichkeit gerückt wird.
In den folgenden Jahren wird eine Internationale Bildungsstätte der Stiftung Kreisau auf dem Gut der Familie von Moltke errichtet, die im Jahr 1998 in Anwesenheit der polnischen und deutschen Regierungschefs eröffnet wird. Seither treffen hier überwiegend junge Menschen zusammen, um über Fragen der deutsch-polnischen Beziehungen oder des Widerstandes zu beraten. Und gelegentlich kehrt auch Freya von Moltke auf das Gut ihres verstorbenen Mannes