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Deutsche & Polen

Die ersten Kriegswochen

Ich bin 1916 geboren. Man kann also sagen, dass ich zwei Weltkriege überlebt habe. Zur Stimmung zwischen den Weltkriegen kann ich sagen, dass es Freude über die Unabhängigkeit gab, dass aber auch schon in den 30er Jahren darüber gesprochen wurde, dass die Deutschen zum Krieg bereit seien. Als der Zweite Weltkrieg begann, war ich im 37. Infanterieregiment als Waffenmacher. Am 1. September 1939 wurden wir durch den Alarm aufgeweckt. Wir haben gedacht, wir müssten nach Westen fahren, doch dann ging es nach Warschau. Warum, wussten wir zunächst nicht. Die deutsche Armee stieß von Westen her sehr schnell nach Warschau vor. Ein paar Stunden später mussten wir aus dem Zug aussteigen. Wir machten Rast am Bahnhof und warteten auf die nächsten Befehle. Das Wetter war schön, wir lagen auf dem Gras. Plötzlich wurde mir übel, und ich fiel in Ohnmacht. Im Arztzimmer wurde ich durch Bombengeräusche wieder wach. Niemand war da, nur ich. Ich ging hinaus. Was ich sah, war schrecklich: Leichen von Menschen und Pferden durcheinander. Ich sah die toten Freunde, mit denen ich eben noch auf dem Gras gelegen hatte. Fünf Minuten länger, und auch ich wäre umgekommen.

Wir erlebten viele Schlachten. Am 17. September erfuhren wir, dass die russische Armee in Polen eingedrungen war. Russland erklärte uns den Krieg. Als es keine Versorgung mehr gab, befreite uns der Befehlshaber vom Fahneneid, aber alle blieben im Regiment. Einmal übernachteten wir auf einem Feld. Als ich aufwachte, war niemand dort. Ich musste wieder in Ohnmacht gefallen sein, und keiner hatte meine Abwesenheit bemerkt. Ich versuchte, wieder Anschluss an mein Regiment zu finden, hatte aber Pech und traf in einem kleinen Dorf auf deutsche Soldaten, die mich gefangen nahmen. Zu Fuß musste ich mit Tausenden anderen Gefangener mehrere Tage lang gehen. Die Deutschen machten darüber Propagandafilme. Überall waren deutsche Soldaten. Gefangene, die zu langsam liefen, wurden erschossen. Ich hörte Tausende Pistolenschüsse. Ein Schuss bedeutete einen Toten. Dann kamen wir ins Lager. Es gab dort nichts zu Essen und nichts zu Trinken. Wir standen zwölf Stunden Schlange für die sogenannte „Suppe“. Mein ganzes Vermögen bestand aus einem Löffel und einer Gabel. Ich wurde krank, und es zeigte sich, dass es die Ruhr war. Ich konnte das nicht sagen, denn wahrscheinlich wurden die Kranken sofort erschossen. Doch nach ein paar Tagen merkten es die Wachmänner selbst. Zum Glück wurde ich auf die Krankenstation gebracht, aber es gab dort weder Medikamenten noch Essen. (...) Niemand interessierte sich für uns. So viele schreckliche Erlebnisse und es war erst Oktober 1939: Der ganze Krieg lag noch vor mir....“

Aufgezeichnet von Marek Blaszczak

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