Zitat

Deutsche & Polen

Die Ausweisungsaktion der Polen (Juden) aus Deutschland im Herbst 1938 in Bydgoszcz/Bromberg

Beata Szczygiel
Biografie

Es kam ein Anruf und in diesem Anruf wurde gesagt, wir haben hier sehr viele Flüchtlinge aus dem jüdischen Gemeindehaus und wir brauchen dringend Sachen, die sind hier angekommen und haben nichts anzuziehen. Und meine Mutter und ich, wir haben Koffer gepackt, zwei Koffer und haben die zur Straßenbahn geschleppt und wirklich in grosser Aufregung und sind mit der Straßenbahn dorthin gefahren und haben das geschleppt bis zu diesem Gemeindehaus und machen die Tür auf und – das werde ich sicher nie vergessen – es kam mir ein Schwall ganz verbrauchter Luft entgegen und furchtbares Weinen und Geschrei und als erstes kam mir ein Mann entgegen, der hatte so einen Ulster an, so einen Wintermantel an und raus guckten die Hosen vom Pyjama und Schuhe und dann kam ne Frau , die hatte Ihr Kind in einer Decke und auch Nachthemd an und Mantel drüber, ja das war schon so ein Weinen und ein Geschrei. Sie waren ja schon eine ganze Weile unterwegs, weil sie ja ausgeladen waren auf dem Felde. Der Zug ist ja nur bis zur Grenze gefahren und hat sie auf dem Felde rausgelassen, bis jemand sie, dauerte ja sicher ne Weile, bis da dann Lastwagen kamen und sie abholten und sie verteilten an die einzelnen Städte und eben auch ein Teil nach Bydgoszcz/Bromberg . Und das war mein erstes Erlebnis, so ist Krieg. Was ist Krieg? Wo Flüchtlinge ankamen, die nichts anhaben und halb nackt sind. Kinder, die überhaupt nichts anhaben und Babies, die ja ihr Hemdchen anhatten und in Tüchern waren. Das war schon sehr massiv. Sie hatten die polnische Staatsangehörigkeit und das hat genügt sie auszuweisen, ohne Vorwarnung, und zwar ohne Vorwarnung um einen Koffer zu packen und so weiter.

Quelle:
Stubenrauch, Jens
"Interview mit Beata Szczygiel, Deutsche aus Bydgoszcz/Bromberg"
ORB, 2002

Fenster schließen