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Deutsche & Polen

Der eiskalte Hoffmann: eine Warschauer Legende?

Peter Lachmann
Biografie

Es gibt eine Warschauer Legende, in der behauptet wird, dass Hoffmann, die Person gewesen sei, die in der Namensgebung der Juden eine Hauptrolle gespielt hat. Die Juden, die früher nur Vornamen hatten, die mussten plötzlich aufgrund eines königlichen Erlasses Nachnamen oder Zunamen bekommen. Zunamen, die gelegentlich oder auch in der Mehrzahl sehr skurril waren. Und da die so skurril waren, wie z. B. Himmelblau, Pistollet, Pistole auf polnisch, Schießpulver, Geldfisch, Alphabet, Branntwein usw. und vieles andere mehr, wird also unterstellt, dass es Hoffmann gewesen sein soll, der diese Namen..., der eigentlich auch als einziger die sprachliche Kompetenz hatte, diese Namen zu verleihen. Ich bin mit dieser Legende immer wieder konfrontiert wurden, aber in gewisser Weise sehr vage. Es ist eine historische Tatsache, dass es diese Legende gibt, aber ob es eine historische Tatsache ist, das sei dahingestellt. Aber ich habe Historiker befragt, entweder persönlich oder nachgelesen, wie es damit steht. Und es gibt also angesehene Historiker, die also ausgesprochen als kompetente Historiker gelten, wie z.B. Norman Days, den Engländer, der also mehrere Geschichten Polens geschrieben hat. Und in zwei Stellen seiner Geschichte wird also behauptet oder unterstellt, Hoffmann sei es gewesen, aber die Berufung ist eine relativ erstaunliche, der Historiker beruft sich auf einen historischen humoristischen Roman, nennt also auch keine Quelle. Auch ein Historiker, der jüdischen Polen, Marian Fuchs, wer weiß, ob es nicht sogar Hoffman war, der seine Familie, so genannt hat. Fuchs ist der Meinung Hoffmann sei es gewesen, aber auch er nennt keine Quellen. Also das ist eine Sache, die meiner Meinung nach untersucht werden muss, weil es gar nicht so belanglos ist. Es ist vor allem auch gar nicht so ganz banal, es ist ja folgenschwer. Erstmal war sie sofort folgenschwer, weil die polnischen Juden zusätzlich isoliert worden sind. Sie galten plötzlich als Deutsche. Sie wurden plötzlich mit deutschen Namen versehen und als Jahre später, also irgendwann 120 Jahre später, Alfred Döblin und sein wunderbares Buch „Die Reise durch Polen“ geschrieben hat. „Reise in Polen“ heißt es wohl. Da kam er aus dem Staunen nicht heraus, als er die Vielzahl der merkwürdigen skurrilsten deutschen Namen auf dem Gebiet des damaligen Warschauer Ghettos gesehen hat, des jüdischen Viertels gesehen hat. Er ist natürlich nicht darauf gekommen, dass es eigentlich nur eine deutsche Quelle sein kann. Insofern ist es sehr verlockend zu glauben, es sei Hoffmann gewesen, weil ... ohne jetzt den sehr gehässigen Darstellungen dieser Humoristen, es gibt also viele polnische belletristische Zeugnisse, die ihn als sehr, sehr negativ darstellen und völlig ausklammern was er für das Warschauer Kulturleben wirklich geleistet hat.

Quelle:
Hohmann, Lew
"BerlinInterview mit Peter Lachmann, E.T.A. Hoffmann-Experte, Warschau"
ORB, 2002

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