Zitat

Deutsche & Polen

Die Situation im Dezember 1981

Wojciech Jaruzelski
Biografie

Vor dem 13. Dezember gab es wirklich ein großes Dilemma, dass wir uns einerseits in einem Block befinden, Verbündeten haben, in einer Koalition sind, in Freundschaft, aber anderseits, dass unsere Freunde und Verbündeten in einem gewissen Sinne zu unseren Feinden werden Das ist dieses Paradox der damaligen Situation. Eine Lösung zu finden, die einerseits das Vertrauen an unsere Innenpolitik retten würde und somit eine Intervention verhindern könnte und andererseits eine solche Politik zu führen, die zu nationalen Verständigung führen könnte, wofür ich und die polnische Regierung bis zum letzten Moment verstärkt gesorgt habe. Das ist auch sehr genau dokumentiert. Ich betone das aus diesem Grunde, dass es die Meinungen gab, dass die Führungsorgane schon seit längerer Zeit den Kriegszustand einführen wollten, und mit Entschiedenheit das anstrebten, obwohl sie sich dessen bewusst waren, dass der Kriegzustand das große Übel ist. Das war aber offensichtlich ein kleineres Übel als diese Katastrophe, die uns real drohte. Ich möchte noch hinfügen: Ein sehr wichtiger Akzent in den Beziehungen zwischen Polen und seinen damaligen Verbündeten war eine Frage, die sehr oft von Breschnew, Gromyko, Suslow gestellt wurde: „Wer wird eure Westgrenze garantieren?“ Nur wir als Sowjetunion können sie garantieren. Ihr wisst doch sehr gut, dass diese Frage im Westen im gewissen Sinne immer noch offen ist.“ Es war eine Form der Erpressung, aber sie war auch nicht völlig unbegründet. Und wir wussten, dass in der DDR eine sehr große Beunruhigung im Zusammenhang mit der Situation in Polen zu spüren ist. Ich möchte nicht, dass man meine Worte so verstehen wird, dass ich, nach den Jahren – das wäre Vereinfachung, Erleichterung - ich möchte die Deutsche Demokratische Republik beschuldigen, Honecker beschuldigen.... Die Realität der damaligen Zeit war die Realität des geteilten Europas und der geteilten Welt. Das ist in Jalta, in Potsdam direkt nach der Beendigung des 2. Weltkrieges erfolgt. Und im Rahmen dieser Teilung hatte jeder im gewissen Sinne seine Rolle zu spielen. Ich wäre unehrlich, ich wäre ein Heuchler, wenn ich behaupten würde, dass damals die Beziehungen mit der DDR schlecht waren. Wir waren in der selben Koalition und diese Beziehungen waren gleichzeitig ein Garant dafür, dass die Grenze an der Oder und Neiße unser gemeinsames Werk, unsere gemeinsame Pflicht sind.

Quelle:
Stubenrauch, Jens
"Interview mit Wojciech Jaruzelski, ehemaliger Staats- und Parteichef Polens"
ORB, 2002

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