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Deutsche & Polen

Rudolf Höß über die Belegung des KL Ausschwitz

Rudolf Höß
Biografie

Das Hauptkontingent stellten bis Anfang 1942 die polnischen Häftlinge. Sie wußten alle, daß sie, zumindest für die Dauer des Krieges im KL verbleiben mußten. Daß Deutschland den Krieg verlieren würde, glaubten auch die meisten, nach Stalingrad wohl alle. Durch die Feindnachrichten waren sie ja über die "wirkliche Lage" Deutschlands genauestens im Bilde. [...]
Da nach dieser Feindpropaganda die Niederlage der Achsenmächte nur noch eine Frage der Zeit war, war also, so gesehen, in dieser Richtung für die polnischen Häftlinge kein Grund zum Verzweifeln. Es fragte sich nur: Wer hatte das Glück, die Haft zu überstehen? Und das Ungewisse war es, was den Polen psychisch die Haft so schwer machte. All das Bangen vor den Zufälligkeiten, die täglich jeden treffen konnten: Er konnte durch Seuchen, denen sein physischer Zustand nicht mehr gewachsen war, hinweggerafft werden. Er konnte plötzlich als Geisel erschossen oder erhängt werden. Er konnte ebenso unvermutet in Verbindung mit einer Widerstandsbewegung vor das Standgericht gebracht und zum Tode verurteilt werden. Er konnte als Repressalie liquidiert werden. Es konnte ihn ein tödlicher Arbeitsunfall treffen, herbeigeführt durch ihm Übelwollende. Er konnte an einer Mißhandlung sterben. Oder an anderen ähnlichen Zufälligkeiten, denen er fortdauernd ausgesetzt war. [...]
Hier muß ich auch das Standgericht und die Geiselliquidierungen erwähnen, da es sich dabei ja nur ausschließlich um polnische Häftlinge handelte. Die Geiseln saßen meist schon längere Zeit im Lager. Daß sie Geiseln waren, wußten weder sie selbst, noch die Lagerführung. Plötzlich kam ein FS [Fernschreiben] mit dem Befehl des BdS oder RSHA: nachstehende Häftlinge sind als Geiseln zu erschiessen oder zu erhängen. Innerhalb weniger Stunden mußte auch bereits der Vollzug gemeldet werden. [...]
Das Standgericht Kattowitz kam gewöhnlich alle vier bis sechs Wochen nach Auschwitz und tagte im Zellenbau. Die meist schon einsitzenden oder auch kurz vorher eingelieferten Standgerichtshäftlinge wurden vorgeführt, von dem Vorsitzenden durch Dolmetscher über ihre Aussagen und ihr Eingeständnis befragt. Die Häftlinge, die ich dabei erlebte, gaben frei, offen und sicher ihre Tat zu. Besonders einige Frauen traten mutig für ihr Handeln ein. In den meisten Fällen wurde das Todesurteil ausgesprochen und auch anschließend sofort vollstreckt. Sie gingen alle genau so wie die Geiseln aufrecht und gefaßt in den Tod, überzeugt, sich für ihr Vaterland geopfert zu haben.

Quelle:
Höß, Rudolf
"Kommandant in Auschwitz"
Autobiographische Aufzeichnungen des Rudolf Höß
Hg. und kommentiert von Martin Broszat
München, 1963

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