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Deutsche & Polen

Hannah Arendt über Adolf Eichmanns Verhalten während der Wannseekonferenz, auf der die "Endlösung der Judenfrage" besprochen wurde

Zunächst drehte sich die Erörterung um "komplizierte juristische Fragen" wie die Behandlung von Halb- und Vierteljuden: sollten sie getötet oder bloß sterilisiert werden? Danach folgte eine offenherzige Diskussion über die "verschiedenen Arten der Lösungsmöglichkeiten", auf deutsch, über verschiedene Tötungsmethoden, und auch hierbei herrschte nicht allein "eine freudige Zustimmung allseits", sondern, wie Eichmann sich deutlich erinnerte, "darüber hinaus etwas gänzlich Unerwarte­tes, ich möchte sagen, sie Übertreffendes und Überbietendes im Hinblick auf die Forderung zur "Endlösung"". [...] Noch aus einem anderen Grund war der Tag dieser Konferenz für Eichmann unvergeßlich. Zwar hatte er ohnehin alles getan, um die "Endlösung" auf den Weg zu bringen, gewisse Zweifel "an so einer Gewaltlösung" hatten aber immer noch an ihm genagt, nun jedoch waren diese Zweifel zerstreut. "Hier auf der Wannsee-Konferenz sprachen nun die Prominenten des damaligen Reiches, es befahlen die Päpste." Jetzt sah er mit eige­nen Augen und hörte mit eigenen Ohren, daß nicht nur Hitler, nicht nur Heydrich und die "Sphinx" Müller, nicht allein die SS und die Partei, sondern daß die Elite des guten alten Staatsbe­amtentums sich mit allen anderen und untereinander um den Vorzug stritt, bei dieser "gewaltsamen" Angelegenheit in der vordersten Linie zu stehen. "In dem Augenblick hatte ich eine Art Pilatusscher Zufriedenheit in mir verspürt, denn ich fühlte mich bar jeder Schuld."

Quelle:
Arendt, Hannah
"Eichmann in Jerusalem."
Ein Bericht von der Banalität des Bösen.
Mit einer Einleitung von Hans Mommsen.
München, 1986

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