Drei Tage nach dem Fall der Berliner Mauer setzt der Bundeskanzler Helmut Kohl seine Polenreise fort und setzt gemeinsam mit dem polnischen Ministerpräsidenten Tadeusz Masowiecki in Kreisau ein Zeichen der Versöhnung.
Als Bundeskanzler Helmut Kohl am 9. November 1989 Polen besucht, ahnt er nicht, das am gleichen Tag die Berliner Mauer fallen wird. Gerade in dieser historischen Stunde zeichnet sich die Perspektive für eine Annäherung Polens an die westlichen Bündnisse konkreter ab. In einer „gemeinsamen Erklärung“ werden die Grundsätze für eine künftige Zusammenarbeit festgelegt. In den Planungen der deutschen Seite ist ursprünglich vorgesehen, eine Versöhnungsgeste auf dem Annaberg in Oberschlesien durchzuführen. Doch eine Zeremonie auf dem von Deutschen und Polen gleichermaßen historisch beanspruchten Ort weckt in den
polnischen Medien Widerspruch. Vor dem Hintergrund wechselseitiger Tabuisierungen und historischer Mythenbildungen kommen beide Seiten nicht zu einem gemeinsamen Entschluß. Als Ersatzort wird das ehemalige Gut des deutschen Widerstandskämpfers James Graf Moltke auserkoren. Zwar ist für die Deutschen Kreisau ein Symbol für den Widerstand gegen Hitler, in Polen sind aber Personen und Handlungen
dieser Widerstandsgruppe unbekannt. Daher ist die Symbolkraft des Ortes für eine Zeremonie von angestrebter historischer Tragweite nur begrenzt vorhanden. Zudem wird Kohl in Kreisau von Angehörigen der deutschen Minderheit als „Unser Bundeskanzler“ begrüßt.
Dennoch bleibt die Wirkung der gegenseitigen Umarmung von Helmut Kohl und Tadeusz Mazowieckis nicht aus. Der Beginn einer neuen Ära in den deutsch-polnischen Beziehungen ist spürbar.