Als Polen im Zuge der 48er Revolution die Loslösung von Preußen fordert, schlägt bei den Liberalen Deutschlands die Stimmung um. Die Mehrheit der Abgeordneten in der Paulskirche ist gegen eine Wiederherstellung Polens.
Vom 48-er-Parlament in der Paulskirche existieren zahlreiche populäre bebilderte Flugschriften. Auf einem der Blätter kann man die Dekoration im Parlament bewundern. Übergroß eine walkürenhafte Germania, in der Kuppel schwarz-rot-goldene Fahnen, darunter beinahe schon winzig das Präsidium des Parlaments. Im Sommer 1848 verhandelt die Deutsche Konstituierende Nationalversammlung in der Paulskirche zu Frankfurt darüber, ob die Grenze des Deutschen Bundes
nach Osten verschoben werden sollen. Der von Ludwig Börne geprägte Begriff des "Völkerfrühlings" für die Zeit um 1848 wurde nirgends so begeistert aufgenommen wie in Polen. Am gleichen Tag als Ludvik Mieroslawski und die anderen polnischen Revolutionäre in Berlin befreit werden, am 20. März 1848, bildet sich in Posen ein "Polnisches Nationalkomitee".
Zu gleicher Zeit beginnen in den mittleren und östlichen Kreisen des Großherzogtums Ausschreitungen gegen Deutsche und Juden. Als Polen nicht nur Loslösung von Russland, sondern auch Loslösung von Preußen fordert, wird Polen abermals verraten. Diesmal nicht von Preußen und nicht von der Reaktion, sondern von den Vordenkern einer deutschen
Nation. Reaktionäres und liberales nationales Denken treffen sich in den Tagen der Frankfurter Nationalversammlung. Nationale Freiheit ja, aber für Deutschland, und nicht auf Kosten von Deutschland und der Deutschen im Herzogtum Posen. Zu den prodeutschen Argumenten gesellt sich bald antipolnische Gesinnung: Die "Übermacht des deutschen Stammes gegen die meisten slawischen Stämme" wird vom Abgeordneten Jordan betont und der Antrag auf Einbeziehung des Großherzogtums Posen in den Deutschen Bund mit 341 gegen 31 Stimmen angenommen. Auch von Ernst Moritz Arndt, dem Herold der deutschen Freiheitsbewegung hört man rassistische Töne.
Und er klassifiziert nahezu zynisch die deutsche Polenfreundschaft: „Mich soll wahrlich keiner beschuldigen, dass ich über das Unglück der Polen jemals gespottet oder gehohnlächelt habe. Ich habe sogar mehr als einmal für ihre Wiederherstellung gestritten.“ Aber von nun gäbe es nur noch drei
Arten von Polenfreunden: “die Unwissenden, die Narren und die Schelme“. Mit der Niederlage der deutschen Revolution scheidet im Jahr 1851 das Großherzogtum Posen offiziell wieder aus dem Deutschen Bund aus. In der Preußischen Nationalversammlung gibt es im Oktober 1848 ebenfalls eine Polendebatte. Den polnischstämmigen Bürgern
wird der Erhalt "der ihnen bei der Verbindung mit dem preußischen Staat eingeräumten besonderen Rechte" zugesichert. In der im November 1849 angenommenen Verfassung fehlen allerdings entsprechende Regelungen. In beiden Häusern des preußischen Parlaments, dem Abgeordneten- und dem Herrenhaus, gibt es von nun an polnische Abgeordnete, die sich in wechselnder Zusammensetzung im so genannten Polenklub untereinander abstimmen. Nur die radikalen Demokraten in der Paulskirche verknüpfen noch Deutschlands Zukunft mit der Existenz eines freien polnischen Staates. „Das Ende Polens wäre das Ende Deutschlands, die Teilung Polens durch die deutsche Nation teilt Deutschland zwischen Russland und Frankreich, zwischen Republik und Despotie, zwischen französischer Freiheit und russische Knute. Deutsche rettet Deutschland,“ fordern sie. Doch der Ruf verhallt. Deutschland und die Deutschen denken an sich selbst zuerst, bis zuletzt.