Die Lokation – Besiedlung – Polens wird stark durch Aktivitäten des Deutschen Ordens befördert. Viele Städte werden nach dem deutschem „Magdeburger“ Recht gegründet. So spielt der Deutsche Orden neben seiner aggressiv-expansiven auch eine zivilisatorische Rolle.
Anfang des 13.Jahrhunderts beginnt in Polen die Lokation. Von polnischen Fürsten aber auch vom Deutschen Orden werden „hospites“, Gäste ins Land geholt. Lokatoren, "Siedlungsunternehmer", verteilen dass noch unbewirtschaftete Land, meist eine Hufe pro Siedler, das sind zwischen 17 und 24 Hektar. Im „Sachsenspiegel“ des Ritters Eike von Repkow sind Gesetze und geltende Regeln jener Zeit zusammengefasst.
Text und vor allem Bilder vermitteln auch einen Eindruck, wie es zu Zeiten der Lokation in Polen zuging. Grundlage der meisten Gründungen ist das „Magdeburger“ und daraus abgeleitet das „Kulmer Recht“. Es regelt nach dem Magdeburger Modell die Rechte und Pflichten der Bauern und Stadtbürger in ihrem Verhältnis untereinander und zum Fürsten. Aus
den Urkunden des Deutschen Ordens erfährt man Einzelheiten. Ein Wirtshaus wird mit Braurecht und Gerichtsbarkeit verliehen, das Recht Windmühlen und vor allem Wassermühlen, die hier noch unbekannt sind, zu betreiben, wird ebenso erteilt wie Fischereirechte. Auch Pruzzen sind unter den Siedlern. Sie heißen Neosude, Hannus, Methim oder Boglande. Der
Lokator erhält besondere Privilegien und das Schulzenamt. Größere Belehnungen und Rechte müssen mit Kriegsdienst, Burgdienst oder Geldzahlungen abgegolten werden. Bis zum Ende des 14. Jahrhunderts entstehen allein in Groß- und Kleinpolen mehr als 150 Städte nach Deutschem Recht, darunter Thorn (1233), Kulm (1233), Danzig (1235), Elbing (1237), Gnesen (1238), Breslau (1242), Braunsberg (1250), Posen (1253).
Etwa 250.000 Menschen wandern in 200 Jahren von West nach Ost. Die Einführung des deutschen Rechts, das im Grunde ein westeuropäisches Stadtrecht ist, sagt nichts über die Herkunft der Stadtbewohner aus. Zu ihnen gehören Polen, Deutsche, Flamen, und vor allem Juden. Viele von ihnen sind vor den Verfolgungen geflohen, die in Deutschland im Zusammenhang mit den Kreuzzügen und später während der Pest stattfinden. Die neuen Siedler sind keine Leibeigenen,
also Freie. Sie müssen weniger Frondienste leisten, können ihren Boden vererben und veräußern. Sie bringen neue Methoden der Bewirtschaftung, neues Gerät mit. Auch die neuen Städte sind freier als die alten Burgsiedlungen. Hier der Voigt, dort der Schulze, oberster Herr und Richter der Stadt, daneben entstehen Stadträte. In den Städten dominieren
oft die Deutschen, so dass die Ratsakten in deutscher Sprache geführt werden. Herkunft wird weniger durch ethnische Bindung bestimmt, als durch Geburts- und Wohnort. Jeder spricht seine Sprache, die Wörter mischen sich. Aus Bürgermeister wird Burmistrz, aus Gemeinde Gmina, aus Rathaus Ratusz, aus Rechnung Rachunek und aus Geschlecht Schlachta. Das polnische Wort für Deutscher stammt noch aus der Zeit als man sich nicht verständigen konnte: “nemjez“, der „Stumme“. Das Lied, dass flämische Kolonisten mitgebracht haben, „Naer Ostland wille wij rijden, daer isser en better stehen...“ erhält einige hundert Jahre später einen neuen finsteren Sinn: Aus „Nach Ostland woll’n wir reiten, da ist es besser sein....“ wird „Nach Ostland geht unser Ritt...“, das Marschlied der Nazi-Wehrmacht.