Die aus Bamberg im 18. Jahrhundert nach Posen zugewanderten Bauern und ihre Nachkommen sind ein Beispiel für eine gelungene Integration.
Die Bronzeplastik, nicht größer als ein Meter, findet man nicht gleich. Erst wenn man in die kleine Gasse hinter dem Posener Rathaus hineingeht entdeckt man den Brunnen mit der Bäuerin, die zwei schwere Krüge trägt. Eine Bamberka, seit mehr als zweihundert Jahren steht das Wort in der Posener Gegend für Bäuerin. Seit dem 17.Jahrhundert verbietet ein Bamberger Gesetz die Aufteilung der Bauernhöfe in der Umgebung der Stadt. Nachgeborene Bauernsöhne und ihre Familien bleiben ohne eigenen Hof, die Gegend leidet unter Überbevölkerung. Da
trifft eine Einladung aus Posen ein: Bauern, Handwerker, Wirte werden gesucht. Acker und Bauland werden angeboten, Bauholz, Saatgut und Steuervorteile. Einzige Bedingung: ein katholischer Taufschein. Posen und seine Umgebung ist durch die Nordischen Kriege und durch die Pest von 1708-1710 verwüstet und entvölkert. So werden die Siedler aus Oberfranken dringend gebraucht. Sie kommen zwischen 1720 und 1760 in mehreren Wellen. Die meisten legen die 600 Kilometer nach Posen zu Fuß mit Schubkarren, in denen ihre Kinder sitzen, zurück, nur wenige Bamberger nennen ein Pferd und einen Karren ihr eigen. Nahezu 100 Familien mit etwa 500 Personen machen die Dörfer um Posen wieder bewohnbar und die Felder wieder urbar. Ihre Integration ist ein Musterbeispiel für Anpassung an das Gastland. Sie lernen freiwillig die polnische Sprache, schicken ihre Kinder in polnische Schulen, denn sie wollen am gesellschaftlichen Leben ihrer
neuen Heimat teilnehmen. Ihr eigenes Gotteshaus, die Franziskanerkirche, an der zunächst noch deutsch gesprochen wird, stellt den Gottesdienst bald auf polnisch um. Schon nach wenigen Generationen sprechen die Bambrzy, wie sie sich selbst bald auf polnisch nennen, die Landessprache. Weder während der Germanisierung noch während der faschistischen
Besetzung sind die Bambrzy bereit, ihre polnische Sprache aufzugeben oder sich zu Volksdeutschen zu erklären. Sie verstehen sich von Anfang an als Polen, sie heiraten unter Polen und haben viele Nachkommen. Heute, so wird behauptet, stammt jeder zweite Posener aus Bamberger Familien. Geblieben sind die Namen. Sie heißen Ewa Springer, Jan Schneider, Urszula Muth und Roman Handschuh. Geblieben sind auch die Trachten, die an die oberfränkische Heimat erinnern und schließlich auch von polnischen Bäuerinnen übernommen wurden. Üppige, weit abstehende Röcke, ein rotes Wams, die Korallenkette mit dem Kreuz und die prächtige Krone aus vielen bunten Blumen. Geblieben ist auch das kleine Bronzedenkmal. Eine Bamberka mit einem Kumt und zwei Krügen auf einem Springbrunnen. Nach 1945 wurde es von den Polen, die alles „Deutsche“ tilgen wollten, entfernt. Viele Bamberger wurden von ihren Höfen vertrieben, einige Söhne in Arbeitslager
verschleppt. Man legte ihnen nahe, ihre Namen zu polonisieren. Manche taten es, andere weigerten sich. Sie waren gute Polen, warum sollten sie ihren ehrlichen Namen aufgeben. Dass die bronzene Bamberka mit Deutschtum gleichgesetzt wird, empfinden sie ebenso als Beleidigung wie den Begriff „deutsche Minderheit“. – „Wir sind keine deutsche Minderheit,
wir sind Polen, die sich ihrer Abstammung bewusst sind", hört man als Antwort. - In den 70-ern wird die Bamberka wieder aufgestellt. Man hatte sich wohl vergewissert, dass die Bambrzy weder die 5. Kolonne noch Revanchisten sind. Dennoch, vorzeigbar sind sie erst wieder nach dem Ende der kommunistischen Ära. Ein Gruppenbild mit Bambrzy gehört seit dem zum Ritual jedes deutschen Staatsbesuchs. Davon zeugen Fotos mit Helmut Kohl und seinem Nachfolger Gerhardt Schröder. Im Ruhrgebiet und anderswo trifft man inzwischen Bamberger Nachfahren, die aus Posen nach Deutschland gekommen sind und sich natürlich als Polen verstehen und nicht als Deutsche, eventuell aber bereit sind den Begriff Europäer zu akzeptieren.