Konrad Adenauer wird Mitglied des Deutschen Ordens. Für die kommunistische Führung in Polen ein willkommener Anlaß, den deutschen "Drang nach Osten" bestätigt zu sehen.
Der polnischen kommunistischen Propaganda liefert die Bundesrepublik immer wieder Vorlagen. Bundeskanzler Adenauer läßt sich im März 1958 feierlich in den Kreuzritter-Orden aufnehmen. Er kniet nieder vor dem Hochmeister des Deutschen Ordens. Bilder, die bei jedem Polen wahres Entsetzen auslösen, denn schon seit Jahrhunderten sind die Kreuzritter Synonym für den deutschen „Drang nach Osten“. Bis in die achtziger Jahre dient das Bild Adenauers im Kreuzritter-Umhang der permanenten Reproduktion antideutscher Stereotype. Für Adenauer, der mit geostrategischer Ostpolitik nie viel anfzufangen wußte und ein
seit Jahrzehnten westorientierter Politiker war, ist die Zeremonie eine ganz persönliche Antwort auf innenpolitische Auseinandersetzugen, die im Rapacki-Plan des gleichnamigen polnischen Außenministers ihre Ursache haben. Rapacki stellte am 2. Oktober 1957 in der Vollversammlung der Vereinten Nationen den Plan einer atomwaffenfreien Zone vor. Diese Zone soll die beiden deutschen Staaten, Polen und die Tschechoslowakei umfassen. Warschau
hegt mit diesem Vorschlag den Wunsch, eine gewisse Autonomie gegenüber Moskau zu gewinnen und sich als Brückenbauer zwischen Ost und West zu empfehlen. In Bonn sieht man allerdings in dem Plan nur ein taktisches Manöver Moskaus, das versucht, den Westen in Zugzwang zu bringen. Adenauer geht auf den Plan nicht ein, schon allein deshalb, um
eine indirekte Anerkennung der DDR zu vermeiden. Verärgert ist er letztlich über Polen, da seine innenpolitischen Gegner den Vorschlag Rapackis aufgreifen und auf den Bundeskanzler politischen Druck ausüben. Für die Ikone einer frankreichorientierten Bundesrepublik kommt die ritterliche Ehrung daher recht, um seine Haltung zu aktuellen politischen Auseinandersetzugen zu demonstrieren. Sicher ist ihm die fatale Wirkung dieser symbolischen Bilder nicht im vollen Umfang bewußt gewesen. Sein Biograph schreibt zu der Szenerie:„Stolz läßt sich der Repräsentant deutscher Westbindung bei dieser Gelegenheit im Schmuck des weißen Mantels mit dem schwarzen Kreuz jenes Ordens ablichten, dessen wichtigste geschichtliche Leistung die Kolonisation des deutschen Ostens gewesen ist... Schwer zu glauben, daß ein geschichtsbewußter Deutscher wie Adenauer nicht spürt, welches Signal er damit in Richtung Polen setzt...Auf Polen ist er derzeit ganz schlecht zu sprechen, und das ist seine Art und Weise, dies zum Ausdruck zu bringen.“
Der damalige Bundespräsident Theodor Heuss relativiert allerdings mit seinen Beobachtungen Absicht und Wirkung des Auftritts Adenauers an diesem Tag: „Es machte ihm einen Heidenspaß, obwohl die Sache christlich war. Als er über die Straße gehen mußte, sei er sich wie im Fasching vorgekommen. Köln sei für derlei recht geeignet. Aber es ergab sich, daß er, in seinen Instinkten antipreußisch, doch
einmal in der großartigen Marienburg war, vermutlich bei einem „Städtetag“ in Königsberg.“ Die polnische kommunistische Propaganda nimmt die Bilder Adenauers im Ordensmantel gerne auf. Für sie sind sie ein geradezu schlagender Beweis für den westdeutschen Imperialismus, der mit seinen amerikanischen Komplizen nur darauf wartet, Polen zu erobern, dem „Drang nach Osten“ nachzugeben.