Zitat

Deutsche & Polen

Deutschland und Polen 1918

Heinrich-August Winkler
Biografie

In weiten Teilen der deutschen Öffentlichkeit galt der polnische Nationalstaat als geradezu illegitim. Er war ein Schützling Frankreichs. So sah man das in Deutschland. Deutschland hatte erhebliche Gebiete an Polen verloren, nicht alle über Abstimmungen. Der polnische Korridor, der Ostpreußen vom übrigen Reich trennte, war ein ethnisch gemischtes Gebilde. Eine Abstimmung hätte möglicherweise keine Mehrheit für Polen gebracht. In Oberschlesien gab es Abstimmungen. Das Gebiet wurde geteilt, wobei das Industriegebiet, wo es einen sehr starken polnischen Bevölkerungsanteil gab, an Polen ging. Das wurde in Deutschland als eine höchst ungerechte Entscheidung des Völkerbundes verstanden, machte den Völkerbund also extrem unpopulär. Die große Mehrheit der Deutschen hielt die deutsch-polnischen Grenzen für revisionsbedürftig. Das gilt auch für die Sozialdemokraten, von den Kommunisten ganz zu schweigen. Aber natürlich waren die Parteien der Rechten besonders nationalistisch und extrem in ihren Forderungen diese Grenze zu überwinden. Eine wirkliche Anerkennnung der deutschen Ostgrenzen hat es, im Unterschied zu den Westgrenzen des Reiches, in der Weimarer Zeit nicht gegeben.

Quelle:
Stubenrauch, Jens
"Interview mit Heinrich-August Winkler, Historiker, Humboldt-Universität Berlin"
ORB, 2002

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