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Deutsche & Polen

Die Parteiführer des Ostblocks diskutieren über eine Intervention

Manfred Wilke
Biografie

er einzige, der in dieser Runde Klartext sprach, sagte, worum es ging, das war der rumänische Diktator Ceausescu. Er warnte davor einzumarschieren und betonte, dass damit die Ost-West-Beziehungen in eine neue, wie es damals hieß, Eiszeit fallen würden, dieses ökonomisch für sein Land nicht verkraftbar wäre. Die Interessenlagen der Bruderstaaten der Sowjetunion spielten bei der Entscheidung auch eine Rolle. Aber die beiden direkt betroffenen Regime in Prag und in Ostberlin, Husák und Honecker, gehörten immer zu denen, die auf ein hartes Durchgreifen gegenüber den Polen bestanden. Ein halbes Jahr später, im Mai '81, sollte Honecker Breschnew darauf aufmerksam machen, dass nach seiner Einschätzung die polnische Partei nicht mehr in der Lage sei, die Sache selbst zu klären. Da hat ihm damals Breschnew, so die Dokumente, geantwortet: Wen sollen wir denn noch nehmen in Polen? Außer Jaruzelski, der aus Honeckers Sicht nicht den Status eines entschlossenen Kommunisten hatte, gibt es niemanden mehr. Wenn die Equipe Jaruzelski, sprich die Armeeführung, das nicht lösen kann, wissen wir im Prinzip nicht weiter. Und man entschied sich in Moskau für das kleinere Übel - ohne viel Hoffnung, dass Jaruzelski die kommunistische Parteiherrschaft restaurieren könnte.

Quelle:
Stubenrauch, Jens
"Interview mit Manfred Wilke, Historiker"
ORB, 2002

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