Zitat

Deutsche & Polen

Hilfe der Bundesregierung für die deutsche Minderheit in Polen

Alfons Nossol
Biografie

Zu dieser Zeit durfte ich vermittelnd wirken - auch bei der deutschen Bundesregierung, beim Bundeskanzler, dem deutschen Innenminister. Man wollte den sich zum Deutschtum bekennenden Oppelner Schlesier irgendwie behilflich sein. Ich warnte damals die Vertreter der Bundesregierung. Es sollte nicht nur allein den Deutschen zugute kommen. Denn damit würden wir an die Zeit der Machtübernahme, die Okkupationszeit erinnern. In vielen Teilen Polens gab es damals in Restaurants, Straßenbahnen und Theatern Aufschriften “Nur für Deutsche“. Ich sagte dem Vertreter der deutschen Bundesregierung, so dürfe es nicht sein, dass es nur den Deutschen zukommen soll. Eine jede Gabe Deutschlands muss eine Versöhnungsgabe sein, muss versöhnungsartig wirken. Das ist nur möglich, wenn es allen im Land wohnenden Menschen zugute kommt. Der Gesundheitssektor, das wäre die einzige Möglichkeit. In unseren Krankenhäusern mangelt es an medizinischen Untersuchungsgeräten, diagnostischen Geräten. Wenn das möglich wäre... Die Minderheit, die damals langsam ihre Struktur entwickelte, die deutsche Minderheit, hat es gut geheißen. Es war schwierig, weil es die Aufgabe des Innenministeriums war. Das Innenministerium hatte in der Zeit des Totalitarismus eine besondere Bedeutung bei uns. Sollte man jetzt sagen, die Gaben stammen vom deutschen Innenministerium? Das deutsche Innenministerium bediente sich, auf meine Bitte hin, des DCV, des Deutschen Charitas Verbandes. Ich habe ein Gremium von bekannten Ärzten ins Leben gerufen: Welche Geräte sind uns am wichtigsten? An welche Hospitäler, an welchen Krankenhäuser sollen sie verteilt werden? Ich war kein Fachmann und habe die Ärzte um Rat gebeten. Sie trugen auch Sorge, dass alles genau dorthinkam, wo es auch hinkommen sollte, dass man den Menschen hilft. Die Krankenhaus- und Hospitaldirektoren waren gewillt, am Haupteingang Aufschriften anzubringen: “Die diagnostischen Geräte und medizinischen Apparate sind ein Geschenk der deutschen Bundesregierung an alle jetzt in Schlesien wohnende Menschen.“ Und dieses Geschenk bekamen wir dank der Minderheit. Die Ärzte sagten es dann auch vielen kranken Menschen, auch den vertriebenen Ostpolen aus Galizien und aus der Lemberger Gegend, auch den aus Zentralpolen Dazugekommenen. Dank dieser deutschen Geräte duften wir sie heilen, durften wir ihr Leben retten. Das hat versöhnungsartig gewirkt. Dank der deutschen Geräte wurde hier polnisches Leben gerettet. Viele ältere Menschen, die viel Leid, Hass und Ungerechtigkeit vom nazistischen Besatzungsregime in Polen erfahren haben, haben sich überzeugen lassen: Es gibt auch herzliche, gute deutsche Menschen. Gäbe es nicht dieses deutsche Geschenk, wäre es um mich geschehen, ich würde nicht mehr leben. Dieses Versöhnungsartige wirkt in jeder Hinsicht. Das hat mir immer am Herzen gelegen. Und es wurde von Seiten der deutschen Minderheit und von Seiten der schlesischen politische Behörden akzeptiert. Das hat viel Segen gebracht für's Land.

Quelle:
Stubenrauch, Jens
"Interview mit Alfons Nossol, Bischof des Bistums Oppeln"
ORB, 2002

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