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Deutsche & Polen

Naziterror gegen polnische Studenten in Danzig

Leon Leondzin
Biografie

1936 war ich Student an der Danziger Technischen Hochschule mit deutschem Sprachunterricht. Dort waren ein Drittel Polen, keine Danziger Polen, aber Polen aus Polen. Nur wenige, die aus Danzig stammten, konnten studieren. Es war schwierig, materiell, es war teuer zu studieren. Die deutschen Studenten waren in der Mehrzahl. Sie hatten mit der Zeit auch ihre deutsche nationalsozialistische Studentenschaft. In einem Tanzlokal verkehrten sowohl deutsche als auch polnische Studenten. Nicht nur die Deutschen haben mit den deutschen Mädeln getanzt, sondern auch die Polen mit den deutschen Mädeln. Und das hat den Deutschen wahrscheinlich nicht gefallen - so erzählten wir uns das unter uns. Eines Tages hängt am Schaufenster ein Plakat. Darauf steht: “Hunden und Polen zutritt verboten!“ Jemand hatte noch dazu geschrieben: “Die armen Hunde.“ Es gibt ein Foto davon. Die polnische Studentenschaft hat sich versammelt und protestiert: Was sich die Nazis hier in Danzig erlauben, Danzig war immer neutral, war mal polnisch usw. usw. Das wurde in den polnischen Zeitungen in Polen veröffentlicht - ein Protest der polnischen Studenten in Danzig. Ihre Reaktion war so: Als wir kurz danach in die Hochschule kamen, wurden wir von den nationalsozialistischen Studenten rausgeschmissen. Inzwischen waren ja fast alle in dieser nationalsozialitischen Studentenschaft. Ich war zusammen mit meinem Freund, der später auch umgekommen ist, im Zeichensaal. Wir bereiteten uns auf eine Prüfung vor. Da kam ein jüngerer Student mit Tränen in den Augen und sagte: “Die haben uns rausgeschmissen, wie können sie uns rausschmeißen?“ Plötzlich geht eine Flügeltür auf und da stehen die deutschen Studenten und schreien: “Polen raus! Polen raus!“ Wir taten, als ob wir nichts hörten. Dann haben sie uns einfach rausgeschleppt. In manchen Sälen kam es zu Schlachten zwischen den Studenten. Etwas Blut wurde auch vergossen. Wir wurden rausgeschmissen, bis ans Eingangstor des Gebäudes geschleppt, dann die Treppe runter, rausgeschmissen. Die Polizei hat das Gelände nicht betreten. Die stand abseits und hat nicht reagiert. Eine Hochschule oder Uni darf nicht von der Polizei betreten werden, das war so Sitte damals. An der Tür stand der Rektor Pohlhausen. Er war Mathematiker und kam schon oft mit Nazikleidung in die Vorlesungen. Dann haben ihn die deutschen Studenten mit Hitlergruß gegrüßt. Ich habe mich an ihn gewendet, warum er nicht reagiert. Er zuckte mit den Armen und zeigte auf die deutschen Studenten.

Quelle:
Stubenrauch, Jens
"Interview mit Leon Leonzin, Danziger Pole"
ORB, 2002

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